„Eine erfrischende Veranstaltung, bei der endlich einmal die praktische Bedeutung der EU für ein Segment herausgestellt wird, das uns alle betrifft: Die Wissenschaft ist die Zukunft Europas und Europa die Zukunft der Wissenschaft!“ beurteilte ein Gast das hochschulpolitische Symposium der Liberalen Hochschulgruppe an der Uni Mainz (LHG) zu dem Thema „Sind die deutschen Hochschulen fit für den europäischen Forschungsraum?“, das am vergangenen Mittwoch  im Senatssaal der JGU stattgefunden hat.

Gekommen waren gut 30 Wissenschaftler, Doktoranden, Mitarbeiter der Universität, für die die „Europäisierung“ der Wissenschaft auch fachlich interessant war und auch einige interessierte Studenten der Universität Mainz und anderer Hochschulen. Der interaktive Charakter trug somit nicht nur den hochkarätigen Gästen, sondern auch dem gut informierten Publikum Rechnung.

Alexander Graf Lamsdorff, MdEP von der Fraktion der Liberalen und Demokraten (ALDE) im Europäischen Parlament verdeutlichte zur Eröffnung die Relevanz der Wissenschaft im europäischen Prozess. Während die EU vor allem als Institution wahrgenommen würde, die den Binnenmarkt reguliert, tritt sie in der Wissenschaft bereits in die Phase des globalen Wettbewerbs und müsse sich als ganzes gegen die Konkurrenten im Westen und Osten behaupten. Die Liberalen im Europäischen Parlament stellen daher neben die vier Grundfreiheiten der EU („4 freedoms“) eine fünfte: die Mobilität des Wissens. Bildung, Ausbildung und Informationen müssten mobil sein.

Christiane Gaehtgens, Wissenschaftsberaterin im europäischen Raum und ebenfalls Kandidatin der FDP fürs Europaparlament, verdeutlichte in ihrer Keynote die Mechanismen europäischer Wissenschaftspolitik. Dabei stellte sie heraus, dass Forschungsförderung auf EU-Ebene sehr viel mehr als in Deutschland politische Funktionen innehat. Zum einen die Stimulation der europäischen Wirtschaft durch Wissenschaft und Technologie („smart growth“); zum anderen aber auch die Konversion der Institutionen: „Nicht die Exzellenz eines Wissenschaftlers wird gefördert, sondern die Anpassung einer Institution hin zu gewünschten Strukturen“.

Der Höhepunkt der Veranstaltung war in jedem Fall das Fachgespräch. Moderiert von Johannes Knewitz, dem Vorsitzenden des Ehemaligen- und Fördervereins der LHG, ging es ohne Längen durch die europäische Forschungspolitik.

In der hochkarätigen Runde diskutieren der Gründungspräsident der Hochschule Geisenheim University, Prof. Dr. Hans Reiner Schultz, der für Science Relations und Innovation Management zuständige Vice President der BASF SE, Dr. Hans-Michael Walter, PD Dr. Matthias Büger, der in der Wissenschaft anfing, im Technologiebereich der Deutschen Bank tätig ist und zwischenzeitlich für die hessische FDP im Landtag saß, Dr. Ralf-Rainer Piesold von der FH Frankfurt und Experte für außeruniversitäre Forschung sowie besagte Dr. Christiane Gaehtgens.

Das sehr informative Gespräch, das nicht nur die aktiv teilnehmenden Gäste, sondern auch die Diskutanten hinterher als sehr anregend und befruchtend bezeichneten, fasste Moderator Knewitz am Ende statt in Ergebnissen „lieber in fünf Fragen“ zusammen, die sich aufgetan haben und einer endgültigen Beantwortung harren:

–          Wie können die Hochschulen Nachwuchswissenschaftlern konkurrenzfähige Perspektiven bieten? Wie kann die Durchlässigkeit zwischen Karrierewegen in der Wissenschaft und Karrierewegen in der Wirtschaft verbessert werden?

–          Inwiefern müssen Hochschulen durch einen besser entlohnten, größeren und stabileren akademischen Mittelbau, durch eine optimierte Struktur und Verwaltung sowie durch flexiblere Gestaltung von Lehrdeputat und Besoldung bessergestellt werden, um an internationale Spitzenstandards in den Bedingungen für die Wissenschaft anzuschließen?

–          Wie weit darf Politik Forschung Steuern? Könnten Großforschung und große Infrastrukturprojekte überhaupt ohne zentrale Entscheidungen und Koordination vonstattengehen? Droht andererseits der Verlust der Freiheit der Wissenschaft bereits durch zu klare Förderkriterien bei der Einwerbung öffentlicher Mittel?

–          Wie muss der Wettbewerb verschiedener Forschungseinrichtungen und Hochschultypen im europäischen Kontext gestaltet werden? Welchen Rahmen gibt es zu setzen?

–          Wie werden Konvergenz- und Differenzierungsentwicklungen im deutschen Hochschul- und Forschungswesen weitergehen? Ist die streng gegliederte Struktur von Fachhochschulen – Universitäten – Außeruniversitärer Forschung noch zeitgemäß oder gehört die Zukunft Hybridkonstruktionen wie der Hochschule neuen Typs in Geisenheim oder dem KIT? Wird die äußere Differenzierung ganz fallen und es dafür zu einer Binnendifferenzierung nach Qualität und Profil kommen?

Zum Abschluss gab es Häppchen und Wein, was die Teilnehmer des Symposiums animierte, noch bis in den späten Abend diese und weitere Fragen weiter zu diskutieren und so auch dem beabsichtigten Netzwerkcharakter der Veranstaltung gerecht zu werden. Der LHG-Vorsitzende Friedrich Sartorius, der zu dem Symposium gemeinsam mit Alexander Graf Lambsdorff eingeladen hatte, resümierte: „Ein runder Abend: konstruktiv,  erkenntnisreich und zum Abschluss auch noch richtig nett!“P1100351 1920417_10152277815957248_46767310_n P1100333 P1100319 P1100312 P1100338 P1100343